FOTOGRAFIE OHNE FOTOS?
-ein ExperimentWenn ich die Worte die den Titel dieses Textes bilden lese, so sehe ich darin sehr viel Wahrheit, denke ich nur an unseren Alltag. - Jeder, ob groß oder klein, tut dies ständig.
Ich weiß nicht, wie viele Bilder unser menschliches Auge in der Sekunde fassen kann, aber jedes einzelne davon ist eine Fotografie ohne Foto wenn man so will.
Hintereinander abgespielt, als würde man Fotos zu einem Daumenkino zusammenfassen, ergeben diese gedanklichen Fotografien eine Erinnerung. Dieses gedachte Daumenkino beinhaltet natürlich nicht nur gesehene Eindrücke, es ist weiters eng verstrickt mit Emotionen, Gerüchen, Ertastetem und nicht zuletzt mit Gehörtem. Und jedes Daumenkino ist wiederum verbunden mit einem anderen, welches auch all unsere Sinne in sich vereint.
Genau so wie Fotos, eingeklebt in ein Album mit Titel, die mit der Zeit vergilbt, verblassen auch unsere gedanklichen Alben, so dass wir nur noch Emotionen oder kurze Segmente daraus lesen können. Oder manchmal ist auch ein Kaffeefleck auf einem Bild, oder es ist durch häufiges Blättern abgegriffen, so dass der Inhalt verfälscht wird.Unsere Gesellschaft ist durch neue Medien und Technologien, auch nicht zuletzt wegen Fotografie, des Erzählens faul geworden. Oft sind wir nicht mehr fähig, einen Moment einfach geschehen zu lassen, ohne ihn anders gedanklich festhalten zu wollen. Der Moment wird zerstört, in dem man nach seiner Digitalkamera greift, um das Erlebte später zeigen zu können. Denn ohne das Resultat, ein mickriges Foto ohne jeden Hintergrund, glauben viele Menschen das Erlebte dem späteren Gegenüber nicht übermitteln zu können.
So startete ich ein Experiment. Fotografieren ohne Fotos. Oder auch Fotografieren ohne handfeste Resultate.
Vor ein paar Tagen auf dem Heimweg kam mir das Thema wieder in den Sinn, deswegen machte ich einen kleinen Umweg über die Altstadt, um dort mein Fotografieren auszuüben. Ich hätte auch einen Fotoapperat ohne Fil verwenden können, doch ich wollte es nur in meinem Kopf tun. So hielt ich Ausschau nach Motiven, studierte die Menschen im Vorbeigehen, blieb einen Moment lang stehen um Gebäude länger zu betrachten.Vorher habe ich festgestellt, dass wir in unserem Alltag dauernd "fotografieren". Dabei bleibe ich auch, doch eine kleine Änderung ist doch daran vorzunehmen wie ich finde. Mit diesem Gedanken, dieser Mission im Hinterkopf, habe ich in der Stadt versucht wirklich zu fotografieren, und damit verändert sich der Blick. Den Hauptteil dieses Spaziergangs verbrachte ich damit, dass ich versuchte die permanente Reizüberflutung der wir Tag für Tag ausgesetzt sind, zu filtern, nur das zu sehen, das ich auch fotografieren würde. Mit diesem Blick habe ich viele Dinge anders gesehen als ich sie an einem normalen Tag sehen würde.
Ich meine damit nicht, dass ich einfach nur bewusster hingesehen hätte. Das tue ich auch sonst sehr gerne, denn in dieser Stadt gibt es soviel, das man erst bei genauerem Hinsehen erkennt. Es ist fast so, dass man sie jedes Mal neu erlebt, denn immer wieder fällt etwas Neues auf, das ich zuvor nicht gesehen habe. Es sind die Kleinigkeiten, die mein Salzburg so charmant und sehenswert machen. Es sind all diese Details, Kapitelle und Säulen, Bordüren aus Stein um Fenster, alte Schilde von längst geschlossenen Kramerläden.
Doch um von der Ode an Salzburg wieder zum Thema zurück zu kommen, das meinte ich damit nicht.Was ich eigentlich damit sagen will: auch ein Fotograf sieht die Welt etwas anders glaube ich. Ich habe zwar keinen Fotoapparat mitgehabt, aber dieser hätte das Ganze wahrscheinlich sehr verstärkt. Der Fotograf ist hinter der Kamera. Sie schirmt ihn ab vom Geschehen, denn sein Blickfeld ist begrenzt durch den viel zu kleinen Sucher.
Deswegen die vorher erwähnte kleine Änderung. Ja, wir fotografieren tagtäglich ohne Fotos. Doch das ist zu leger gesagt. Denn wir haben keinen Sucher der uns vor der Welt beschützt. Wir sehen die ganze Bandbreite, sehen die Dinge im Gesamten. Würden wir wirklich Fotografieren,ohne Fotos, dann würden es eigentlich nur Ausschnitte sein, die wir zu einem Daumenkino zusammenfügen. Es würde etwas fehlen, nämlich die Welt um den Sucher, die Welt von außerhalb vom Bildausschnitt. Und das wäre sehr schade, und auch viel zu wenig.Mit dieser Erkenntnis werde ich weiterhin mit offenen Augen durch die Welt gehen, werde die Eindrücke in mein Gehirn einbrennen lassen. Doch keinesfalls mit Scheuklappen, die mir die Sicht auf das Ganze nehmen.